Charlie Chaplin, das Filmgenie

veröffentlicht am
Lunedì
4 ottobre 2021

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Die Kraft der Musik

Die Kopplung von Musik und Filmkunst ist faszinierend, hat aber auch ihre Tücken. Dies gilt insbesondere für zum Teil auch sehr berühmte Komponisten, deren Beziehung zu Regisseuren nicht immer einfach war. Dies führte unter Umständen so gar soweit, dass ihre Musik abgelehnt wurde, weil sie als ungeeignet für Filmbilder galt. Selbst jemand wie Morricone wusste davon ein Lied zu singen.

Eines ist sicher: Musik verleiht Bildern zusätzliche Kraft. Auch ein brillanter Regisseur und Schauspieler wie Charlie Chaplin war sich dessen bewusst. Seit der Stummfilmzeit komponierte er die Musik für seine Filme selbst. Chaplin war zwar ein musikalischer Autodidakt, seine musikalischen Ideen, die er mit Partnern entwickelte, führten jedoch – wie an Modern Times ersichtlich – zu beachtlichem Erfolg. Der Film Modern Times wurde 1936 von Charlie Chaplin geschrieben, gedreht und vertont. Er selbst spielt darin die Hauptrolle des Tramp.

Restaurierung Chaplin’scher Originalpartituren

Modern Times ist ein Meisterwerk der Leinwand, mit dem das Haydn Orchester seine Konzertsaison am 22. Oktober in Bozen und am 25. und 26. Oktober in Trient eröffnet. Das Orchester spielt unter der Leitung von Timothy Brock, amerikanischer Dirigent und Komponist mit profunder Kenntnis der Musik des 20. Jahrhunderts – insbesondere der ersten Hälfte ­–, spezialisiert auf die Vertonung von Filmen aus der glorreichen Ära des Stummfilms. 1999 beauftragte die Chaplin-Stiftung Brock mit der Aufgabe, die Originalpartitur von Modern Times zu restaurieren. Es begann eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Familie Chaplin und der Cineteca Nazionale di Bologna, die zur Restaurierung der Originalmusik aller Meisterwerke von Charlie Chaplin führte, die Timothy Brock anschließend weltweit zur Aufführung brachte.

Brock
Brock

Timothy Brock, Dirigent und Komponist Modern Times

Modern Times markiert den Höhepunkt Charlie Chaplins kompositorischen Schaffens

In einem von Brock selbst verfassten Essay taucht er tief in die Kunst Chaplins als Komponist ein und bringt zahlreiche Details über die Musik von Modern Times ans Licht, den zweiten Film, für den der Regisseur die Musik schrieb, nach City Lights (Lichter der Großstadt), der als Startrampe für Chaplins musikalische Karriere diente. Brock stellt in seinem Essay unmissverständlich fest, dass Modern Times den Höhepunkt von Chaplins kompositorischem Schaffen darstellt: «Man bemerkt eine deutliche Qualitätssteigerung im Vergleich zu seiner früheren Partitur City Lights, was nicht zuletzt auf den Unterschied in der Besetzung zurückzuführen ist: Die erste Partitur ist für eine „Tanzkapelle“ von weniger als 30 Musikern, die zweite für ein Orchester von 64 Musikern und Musikerinnen geschrieben». Brock fügt hinzu: «Sowohl City Lights als auch Modern Times sind als Tonfilm konzipiert, nur mit Musik und gelegentlich aufgenommenen Soundeffekten. Im Gegensatz zu City Lights enthält Modern Times auch einige Dialogzeilen, die als Soundeffekte eingesetzt werden (z. B. die Monitore und Lautsprecher in der Fabrik sowie das Radio des Gefängnisdirektors), mit einer Ausnahme: Gegen Ende des Films singt Chaplin das berühmte Lied Titine von Léo Daniderff und markiert damit auch die Geburt der Stimme des Tramps».

Gestern wie heute: Im Räderwerk der modernen Technik

Der gesellschaftskritische Film erzählt die Geschichte eines Fließbandarbeiters in einer Fabrik: Die Hektik seiner Arbeit treibt ihn in den Wahnsinn. Durch eine zufällige Verwechslung wird er unfreiwillig zu einem Streikführer und landet schließlich im Gefängnis. Nach seiner vorzeitigen Entlassung trifft er auf ein Straßenmädchen, dessen Vater auf einer Demonstration erschossen wurde und das sich mit Diebstählen durch das Leben schlägt. Die Begegnung bedeutet für beide die Rettung.

Modern Times ist eine Kritik am Mythos der modernen Gesellschaft und greift Themen auf, die sich unweigerlich auf das aktuelle Zeitgeschehen übertragen lassen: Anhaltende soziale Konflikte; Weltwirtschaftskrisen und der immer deutlicher werdende Klimawandel sind Aspekte einer globalen Gesellschaft, die den hohen Preis für ihr unbedingtes Streben nach Modernität zahlt.

Chaplin hatte die große Fähigkeit, den Geist seiner Figuren in Musik zu verwandeln

Musikalisches Eigenleben

Chaplin hatte die große Fähigkeit, den Geist seiner Figuren in Musik zu verwandeln. So erklärt Brock: «Die Musik, die das Straßenmädchen begleitet, ist schnell und impulsiv, das Symbol einer energischen Jugend, während jene des arbeitslosen Vaters ein dunkles Streichermotiv ist, das schließlich in finstere Akkorde mündet. Der Mörder und korpulente Zellengenosse des Tramps wird von den tiefen Streichern und dem Fagott bedrohlich eingeführt, aber wenn er seine zarte Stickerei aufnimmt, wird er von einer sanften Gavotte begleitet».

Der Soundtrack zu Modern Times wurde innerhalb eines Monats, zwischen dem 17. November und dem 18. Dezember 1935, in Los Angeles aufgenommen. Unterstützt wurde Chaplin bei dieser komplexen Aufgabe von dem Dirigenten Alfred Newman, dem Arrangeur Edward Powell und von David Raksin, der selbst Filmmusik komponierte.

Die Musik führt ein erfolgreiches Eigenleben. Der Filmmelodie, die in der berühmten Schlusszene erklingt, in der Tramp und seine Gefährtin (Paulette Goddard) dem Horizont entgegengehen, fügten die britischen Liedertexter John Turner und Geoffrey Parsons 1954 einen Text hinzu: der Smile-Song war geboren. Ein Lied, das in der Interpretation von Nat King Cole Charterfolge feierte. Unzählige Pop- und Jazzkünstler, etwa Tony Bennett, Eric Clapton, Michael Jackson, Barbra Streisand, Stevie Wonder, Lady Gaga, Elvin Costello, Michael Bublé, der Brasilianer Djavan, sogar Grungeikonen wie Pearl Jam und der italienische Liedermacher Franco Battiato versuchten sich am Song. Aber das ist wieder eine andere Geschichte …

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