Mehr als nur Gäste
Timo Varelmann, Referent für Statistik an der MIZ (Deutsches Musikinformationszentrum), weiß, dass in höheren Orchesterpositionen, wie Konzertmeister- und Solopositionen oder der Stimmführung, der Frauenanteil unter 30 Prozent liegt. Weil die höheren Posten auch besser bezahlt werden, gibt es somit auch in der klassischen Musik einen Gender Pay Gap. Die Unterreprästentation in Führungspositionen bestätigt auch Kravchenko: „Es gibt nach wie vor deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die Repräsentation und die Möglichkeiten: Frauen sind weniger oft in Führungspositionen vertreten und zudem häufig stereotypischem Denken und Diskriminierung ausgesetzt.“ Frauen benötigen also mehr als nur Einladungen in Orchestern – denn nur, weil sie einmal im Jahr z. B. als Gastdirigentinnen da sind, bedeutet das bei Weitem noch keine Gleichstellung.
Ganz pessimistisch ist Anna Kravtchenko, die von der niederländischen Zeitung Het Parool als „das Wunder der Klaviatur“ bezeichnet wurde, jedoch nicht: „Ich stelle fest, dass der klassische Musiksektor Fortschritte macht: In den letzten Jahren sind immerhin ein paar Frauen als Führungspersönlichkeiten und Innovatorinnen im Bereich der klassischen Musik in Erscheinung getreten und haben ihr Talent und ihr Fachwissen unter Beweis gestellt, unter anderem als Dirigentinnen, Komponistinnen und Solistinnen.“ Trotzdem gäbe es aber noch viele Herausforderungen, sagt sie. Es sei wichtig, Vielfalt und Integration innerhalb der Branche weiter zu fördern und die Chancengleichheit für alle musikalischen Talente zu gewährleisten, unabhängig vom Geschlecht.
Sarah Meraner