Giulio Cesare. Regieanmerkungen

veröffentlicht am
Giovedì
13 marzo 2025

Giulio Cesare_2
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St. Ulrich

10.45

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Warum sollte sein Name lauter erklingen als deiner?

(William Shakespeare, Julius Caesar)

Was macht einen Menschen unsterblich?
Die Größe seines Schicksals.
Gaius Julius Caesar ging in die Legende ein – und doch war er ein Mensch wie jeder andere. Auch er hatte nur eine begrenzte Zeit, um eine unauslöschliche Spur auf der Erde zu hinterlassen. Seine Taten wurden zur Geschichte, und die Geschichte, überliefert durch Generationen, machte ihn unsterblich.
Kein Wunder also, dass sich zahlreiche Künstler – Dichter, Maler, Dramatiker und Bildhauer – daran machten, ihn zu ehren. Und so wagte sich auch ein Komponist von Händels Format, selbst eine überlebende Größe der Zeit, an das anspruchsvolle Unterfangen, den Mythos des Mannes zu vertonen, der Rom mehr als jeder andere zur Legende machte.
Die Uraufführung von Giulio Cesare in Egitto fand am 20. Februar 1724 am King’s Theatre Haymarket in London statt, unter der Schirmherrschaft von König Georg I. von England, dem Gründer der von Händel geleiteten Royal Academy of Music.

Was hat die barocke Oper mit dem politischen und militärischen Genie Caesars gemeinsam?
Eigentlich nichts. Und das italienische Libretto von Nicola Francesco Haym ist der Beweis.
Der Dichter reduziert die Handlung auf eine Abfolge musikalischer Nummern, gleichmäßig unter den Sängern verteilt. Die Emotionen der Figuren sind in die strenge Form der Aria da capo gezwängt, bestehend aus zwei Strophen, von denen die erste am Ende mit Variationen wiederholt wird – ein Schema, das vor allem die Virtuosität der Sänger zur Schau stellt und das theatralische Geschehen zugunsten spektakulärer Gesangsleistungen in den Hintergrund rückt.
Das englische Publikum, das mit Shakespeares großer Bühnenkunst vertraut war und seit über einem Jahrhundert die klassische Tragödie Julius Caesar kannte – eine eindringliche psychologische Studie über den Sturz der Mächtigen, wenn sie sich zu viel anmaßen –, kam nicht in die Oper, um zu reflektieren.
Doch was bleibt vom Theater? Und welche Aufgabe hat der Regisseur?
Die Antwort liegt ganz in der musikalischen Genialität des Komponisten: Georg Friedrich Händel.
Wenn man eine solch vielschichtige Materie vor sich hat, kann man fast sagen, dass die Worte nicht mehr zählen. Die Musik allein vermag es, die tiefere Bedeutung der Inszenierung zu tragen.
Händel ist ein Poet.
Seine Musik ist ergreifend und mitreißend, bewegend und elektrisierend zugleich.
Mit der Intensität der Gesangslinien und dem orchestralen Farbenspiel durchbricht er die statische Handlung und verleiht den Charakteren Tiefe. Indem er in die menschliche Natur eindringt und ihre Widersprüche offenbart, erschafft er Momente von solcher emotionalen Spannung, dass man sagen könnte, er habe mit Musik das erreicht, was Shakespeare mit Sprache vollbrachte.

Die Regie, getragen von der Melodie, taucht ein in eine symbolisch-evokative Dimension.
Die Bühne öffnet sich zu einem metaphysischen Raum, dessen Farben an das Gold der Wüstensande und der ägyptischen Edelmetalle erinnern – an die rätselhaften Masken der Pharaonen. Am Horizont ragen acht Fragmente auf, zwischen Himmel und Erde, stumme Ruinen einer vergangenen Welt, geformt zu einem Kreis, der an das mystische Stonehenge erinnert – ein Ort „hängender Steine“, wie der Name nahelegt.
Am Boden liegen acht reglose Körper, in die Sandfarben der Bühne getaucht.
Im Zentrum bewegt sich ein Gewirr aus Stoffen, Lumpen und Schmuckstücken – als erwache es zum Leben.
Drei Schicksalsgöttinnen, die römischen Parzen – Clotho, Lachesis und Atropos – steigen aus diesem Gewandberg auf und rufen die Körper ins Leben. Sie verweilen im Reich der Toten, unberührt vom Schicksal der Menschen, doch sie weben deren Lebensfäden und bestimmen ihren Ort, ihre Zeit und ihre Identität.
Die zentrale Frage: Wie viel bestimmt das Schicksal unser Leben – und wie viel liegt in unserer eigenen Hand?

Die acht Wiedergeborenen erkennen sofort: Das Spiel dreht sich um Macht.
Die Parzen heben einen Lorbeerkranz in den Himmel – wer ihn erringt, beherrscht sein Schicksal. Doch nur einer wird stark genug sein, ihn zu tragen.
Caesar erhebt sich und setzt sich die Krone auf. Die Parzen erkennen in ihm den Mann, dessen Name Bestand haben wird. So tritt er vor das Publikum und spricht seinen berühmten Satz:
„Ich kam, ich sah, ich siegte.“
Der Mann, den Rom posthum zum Halbgott erhob, der als Nachfahre der Venus galt, der über Zeit und Tod hinausblickte – selbst er benötigte die Sterblichen, um Unsterblichkeit zu erlangen.

Die Handlung der Oper basiert auf realen Ereignissen: Caesars Ankunft in Ägypten 48 v. Chr., auf der Jagd nach seinem Rivalen Pompeius, der nach der Niederlage bei Pharsalos geflohen war. Dort gerät Caesar in den Machtkampf zwischen Ptolemäus XIII. und seiner Schwester Kleopatra VII.
Um sich Caesars Gunst zu sichern, lässt Ptolemäus Pompeius ermorden und präsentiert ihm dessen abgeschlagenen Kopf. Plutarch berichtet, dass Caesar bei diesem Anblick weinte – kein Wunder, war Pompeius doch sein ehemaliger Schwiegersohn.
Doch eine Oper ohne Liebe ist keine Oper.
Die junge, listige und verführerische Kleopatra schlägt ein wie ein Blitz – und Caesar erliegt ihrem Charme. Er stellt sich auf ihre Seite, übersteht Intrigen, Schlachten und eine spektakuläre Flucht aus einem sinkenden Schiff, nur um schließlich Ptolemäus zu stürzen und Kleopatra zur alleinigen Herrscherin Ägyptens zu krönen.

Doch dieser barocke Caesar ist weit entfernt von dem von Macht zerrissenen Herrscher, den das englische Publikum 1599 unter dem Strohdach des Globe Theatre sah.
Der Händel’sche Caesar, gesungen vom berühmten Kastraten Senesino, ist ein Sinnbild für Gerechtigkeit und Tugend – eine Opernapotheose Roms, komponiert zur Verherrlichung der Herrschaft Georgs I.
Zwei Welten stehen sich gegenüber:
Die Römer, dunkel gekleidet, repräsentieren das formale, zivilisierte Abendland.
Die Ägypter, in opulenten, fließenden Gewändern, verkörpern den exotischen, ungezähmten Orient.
Tugend und Laster, sich spiegelnd.
In der Vorstellung des 18. Jahrhunderts war Rom das Sinnbild der gezähmten Leidenschaften, während der Osten als Ort der Zügellosigkeit galt.

Sind wir Spielball des Schicksals? Oder sind wir Herren unseres eigenen Lebens?
Im grandiosen Finale erhebt sich Caesars Lorbeerkranz erneut in den Himmel – wartend auf den nächsten Auserwählten.
Und mit den letzten Worten der Oper bleibt nur noch ein Gedanke:

„Di gioia e di piacer“ –
Unsere Zeit ist jetzt. Und das Schicksal webt unerwartete Fäden.

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