Kultur und Nachhaltigkeit

veröffentlicht am
Mercoledì
3 gennaio 2024

Nuovo progetto
Nuovo progetto (1)

„Kultur muss Teil des Gespräches sein“

Die Auseinandersetzung mit einer zukunftsfähigen Entwicklung – das ist dringende Aufgabe der gesamten Gesellschaft und somit auch von Kunst und Kultur. Dass die Möglichkeiten der Folgegenerationen nicht eingeschränkt werden, liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, doch es ist auch Aufgabe der Kulturinstitutionen, positiv zu sensibilisieren: Wie können sie es schaffen, ökologische, soziale und ökonomische Handlungs- und Denkweisen in den Fokus des Bewusstseins zu rücken? Und wie können sie selbst in Richtung Nachhaltigkeit gehen?

 

Oper, Musik und Theater als Spiegel der Gesellschaft

„Die Klimakrise wird jede:n auf der Erde betreffen – viele sind bereits davon betroffen. Die Kultur hat auch die Aufgabe, Geschichten darüber zu erzählen und unseren Hoffnungen und Ängsten einen Spiegel vorzuhalten. Sie muss also Teil des Gesprächs über die Klimakrise sein. Aber dazu muss die Kultur selbst nachhaltig werden“, ist Paddy Dillon, Vorreiter der Nachhaltigkeit im Kulturbereich, überzeugt. Er ist Mitgründer der Initiative „Green Book“, dem Leitfaden für nachhaltige Theaterproduktionen und Aktionsnetzwerk im Bereich Kultur und Medien. Dillon ist außerdem Direktor von Renew Culture und einer der führenden Theaterarchitekten Großbritanniens. Er ist überzeugt: „Theater und Opernhäuser auf der ganzen Welt experimentieren und lernen, wie sie mit der Klimakrise umgehen können. Kultur ist dynamisch, sie gedeiht durch Veränderung. Die Umstellung auf Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Einschränkung – sie ist auch Ansporn für Kreativität.“

 

„Man muss das Problem beim Namen nennen Anthropozän und Climate Change, am eigenen Aste sägen: Damit man es nicht vergisst, werd ich mich, live für euch an den Gipfel kleben“

Die Letzte Generation aus der Oper Lorit

 

Die Endzeitoper „Lorit“ ist ein Beispiel dafür, dass Umweltthemen auch auf der Bühne in den Fokus gerückt werden können – in diesem Fall von Regisseurin Christina Polzer. Die Geschichte setzt sich kritisch und satirisch mit den Schattenseiten von Overtourism und seinen Folgen auseinander und beeindruckt mit einem alpinen Sound der Selbstzerstörung. Denn: Für den Klimawandel ist der Mensch selbst verantwortlich. Mittlerweile gibt es einige Events und Produktionen, die vom Inszenierungsaufwand her zurückhaltender gestaltet werden und dafür mit gegenwartsbezogenen gesellschaftskritisch-relevanten Inhalten umso stärker punkten: Sie rücken die Klimakrise und ihre Folgen in den Fokus und tragen so zur Sensibilisierung bei. Der Vorteil: Die Message erreicht in kurzer Zeit und auf emotionale und greifbare Weise sehr viele Menschen.

„Das hat sich vorhin aber angehört, als würd das Land gesprengt, zerwühlt von zig Lawinen, kein Stein mehr auf dem andern“

Die Letzte Generation aus der Oper Lorit

 

Die Wichtigkeit der Selbstreflexion

Wie aber kann ökologisch und auch wirtschaftlich effizienter gearbeitet werden? Neben mittlerweile selbstverständlichen Handlungsdevisen, wie der Verwendung von Glas-, statt Plastikflaschen oder dem Angebot an Shuttles, die das Publikum in die Veranstaltungshäuser bringen, arbeiten Kulturtreibende aus den verschiedensten Bereichen bereits nach bewusst gesetzten Kriterien: Sie setzen bei Veranstaltungen auf Qualität statt Quantität, inhaltlich zudem auf Erfahrung und Selbstreflexion. Auch der Orchester- und Konzertbetrieb der Stiftung Haydn macht mit Projekten wie „Vaia“ auf ökologische Themen – wie in diesem Fall den Schutz der Wälder – aufmerksam. Auch was die soziale Nachhaltigkeit betrifft, versucht die Stiftung, sich immer wieder zu engagieren: sei es durch klassische Benefizkonzerte, verschiedene soziale Projekte, bei denen Orchester-Ensembles für sozial benachteiligte Menschen spielen oder durch inklusive Veranstaltungen, wie Konzerte für gehörlose und blinde Kinder. Es ist und bleibt ein Anliegen, Musik und Oper für möglichst viele Interessierte zugänglich zu machen, zum Beispiel durch vergünstigte Ticketpreise für Familien. Auf diese Weise können wichtige Inhalte wiederum einem breiteren Publikum vermittelt werden. Und das ist schließlich eine der wichtigsten Aufgaben der Kultur.

 

„Was bleibt, im Schatten der Industrie und der Werbesujets, von uns? Oder nein, wenn ich
mir anschaue, wo wir herkommen, was wir erreicht haben, und wie wir uns den Fremden gegenüber aufführen und die Berge und Täler behandeln, dann will ich eigentlich etwas anderes fragen, eine in Anbetracht der verlorenen Geschichten und der mit Stummheit geschlagenen Mündern wesentliche Frage, weil sie zum Nachdenken zwingt über unsere Vergangenheit und weil sie verrät, wohin wir zielen: Wer sind wir überhaupt?“

aus dem Schlussmonolog von Lorit

 

Von der ewigen Sehnsucht nach Schönheit

Das Streben der Menschen nach Schönheit findet sich vor allem im künstlerisch-kulturellen Schaffen wieder, aber auch in der ihn umgebenden Natur. Dieses Streben erfordert den behutsamen Umgang mit Ressourcen. „Vieles im Theater selbst ist bereits nachhaltig. Wer eine Produktion nur mit dem macht, was er hat, arbeitet schon in die richtige Richtung. Die Herausforderung besteht darin, in großem Maßstab nachhaltig zu arbeiten“, weiß Paddy Dillon. Ein Kunstschaffender, der nachhaltig arbeiten will, wird aber nur dann Erfolg haben, wenn auch die anderen Projektbeteiligten nachhaltig arbeiten. Es geht um Kollaboration und gemeinsame Arbeit, so Dillon. Er ist der Meinung, dass nachhaltiges Handeln nicht unter größtem Druck passieren muss: „Es geht darum, eine Reise zu beginnen und einen Übergang zu schaffen. Wenn wir es schaffen, dass unsere Veranstaltungen zu 50 % recycelt werden – z. B. das Bühnenbild –, dann halbieren wir bereits den Schaden, den wir unserem Planeten zufügen. Kümmern wir uns darum, perfekt zu sein, wenn wir der Perfektion ein Stück näher gekommen sind!“

Sarah Meraner